man scheint in der wissenschaft allgemein sehr begeistert zu sein vom konzept der fussnote. viele publikationen sind geradezu gespickt mit anmerkungen in fuss- oder endnoten. nach meinem eindruck nimmt die popularität von fussnoten in jüngerer zeit sogar noch zu, so dass man bei neueren monographien nicht selten eintausend oder mehr fussnoten findet. eine von mir kürzlich erworbene arbeit zu einigen skaldengedichten bringt es z.b. mit 331 seiten lauftext auf imposante 933 fussnoten, eine andere sprachwissenschaftliche untersuchung, die mir vorliegt, mit 352 seiten sogar auf 1257 fussnoten.


leichtes missverhältnis zwischen text und fussnoten?

bei so viel fussnotenbegeisterung halte ich die zeit für gekommen, auch einmal auf die nachteile von fussnoten hinzuweisen.

als problem nehme ich insbesondere den gestörten lesefluss wahr. ein fussnotenreicher text zwingt nämlich den leser, fortlaufend mit den augen hin- und herzuspringen, und verunmöglicht so eine geradlinige lektüre. da man beim antreffen der fussnote nicht a priori wissen kann, was sich dahinter verbirgt (nur eine literaturangabe? oder eine wichtige anmerkung?), hat man gar keine wahl, als alle fussnoten anzuschauen. will man den text gründlich lesen, kommt man faktisch nicht darum herum, jeder fussnote nachzugehen. dies führt u.u. zu einem sehr komplizierten, unintuitiven lesefluss. man vergleiche etwa die folgende seite, auf der ich alle nötigen sprünge markiert habe (sprünge vom text in die fussnote rot, sprünge zurück in den text blau):


das lesen dieser aufsatzseite zwingt das auge des lesers zu zahlreichen sprüngen – ob die leicht hypnotisierende nebenwirkung beabsichtigt ist?

man beachte ferner, dass die letzte fussnote nicht auf der gleichen seite endet, sondern auf der nächsten weitergeht, so dass man zusätzlich noch zweimal umblättern muss.

als besondere schwierigkeit erweist sich bei einem solchen lesefluss das zurückspringen in den text, weil man – im gegensatz zum sprung zur fussnote, wo man sich an die numerische sortierung der fussnotenindizes halten kann – keine hilfe hat, um vom fussnotenende wieder an die richtige stelle im text zurückzufinden. oft kommt es sogar so heraus:


irrwege eines fussnotenlesers

die chance ist wohl ziemlich gross, dass man beim zurückkehren an die richtige stelle nicht mehr weiss, wie der satz ursprünglich angefangen hat.

neben den “navigationsproblemen” gibt es auch noch eine weitere problematik rund um das thema fussnoten. es scheint mir nämlich oft der fall zu sein, dass übermässige fussnoten auf eine mangelhafte gliederung des textes hinweisen. oft passiert es einem ja, dass man zu einem früher verfassten abschnitt neue einfälle hat. diese machen in der regel eine umarbeitung des gesamten abschnittes nötig, und man ist daher schnell dazu verleitet, etwas “faul” zu sein und den neuen gedanken lediglich in einer fussnote hinzuzufügen. dies führt notwendigerweise zu einer schlechten textstruktur.

aufgrund der genannten probleme stellt sich die frage, ob man nicht besser fahren würde, fussnoten nach möglichkeit zu vermeiden. könnte man die anmerkungen nicht auch in den text integrieren? platziert man die literaturverweise nicht besser in klammern an die stellen im satz, wo sie auch hingehören? ist dem leser nicht viel geholfen, wenn er die seite einigermassen intuitiv von links oben nach rechts unten lesen kann?

in diese richtung zielt auch die empfehlung des bekannten The Not So Short Introduction to LaTeX2e (s. 35, notabene in der fussnote!):

“Note that footnotes distract the reader from the main body of your document. After all, everybody reads the footnotes — we are a curious species, so why not just integrate everything you want to say into the body of the document?”

dem kann ich nur beipflichten. m.e. ist es richtig und wichtig, fussnoten sparsam einzusetzen. nach meiner erfahrung kann man dem leser nämlich eine menge anmerkungen und verweise inline (d.h. im lauftext, mit oder ohne klammern) zumuten, ohne dass der text dadurch unlesbar wird. was nämlich inline notiert wird, lässt sich trotzdem leicht überspringen, und der normale lesefluss bleibt intakt.

dass es sogar ganz ohne fussnoten geht, kann folgendes beispiel zeigen. es handelt sich um eine doppelseite aus einer dissertationsschrift, die auf 232 seiten nicht eine einzige fussnote enthält:

wie man sieht, sind die literaturverweise, quellenangaben etc. in den lauftext aufgenommen worden. anmerkungen fehlen fast ganz und sind, wo doch vorhanden, durch einrückung gekennzeichnet und ebenfalls in den normalen lesefluss eingegliedert. der text büsst dadurch nicht an qualität ein und ist leicht zu lesen.

p.s.: im meisten hier gesagten folge ich einem blogpost (?), den ich vor längerer zeit irgendwo im internet gelesen habe, und nun leider nicht mehr finde. falls jemand weiss, wovon ich spreche, bitte ich um eine benachrichtigung, so dass ich den beitrag ordentlich zitieren kann.