für mich gibt es kaum etwas schöneres in der sprachwissenschaft als etymologische aha-erlebnisse. auf einmal geht einem ein lichtlein auf und man versteht, wie die dinge zusammenhängen. unvergessen ist für mich zum beispiel der moment, als mich ein mitstudent darauf hingewiesen hat, dass atom und individuum eigentlich das gleiche ist. das benennungsmotiv und die wortbildung entsprechen sich in der tat genau: in beiden fällen war die ursprüngliche bedeutung ‘das unteilbare’, einfach einmal auf griechisch und einmal auf lateinisch.
ein ähnliches aha-erlebnis hatte ich heute, als mir aufgegangen ist, dass das dialektwort vergitzle ‘es nicht aushalten’ (meist in der wendung bin fascht vergitzlet ‘habe es kaum ausgehalten, bin (beinahe) aus der haut gefahren’) etwas mit dem gitzi, dem zicklein zu tun hat. es ist die gleiche bildung wie verchalbere ‘verwerfen, eine fehlgeburt haben’, das bei der kuh gebraucht wird, oder verlammere beim schaf. das wort bezeichnet also eigentlich das erleiden einer fehlgeburt bei der ziege. ich bin fascht vergitzlet heisst demnach im ursprünglichen sinn ‘ich hätte beinahe ein zicklein abortiert’ – wahrscheinlich im sinn von gezuckt und gezappelt wie eine abortierende ziege. ein drastisches bild!
das besondere an solchen aha-erlebnissen scheint mir zu sein, dass man im prinzip alles schon weiss, was man zur lösung des rätsels wissen muss, aber es im kopf noch nicht zusammengebracht hat. im erwähnten beispiel war mir etwa sowohl das verb vergitzle als auch das substantiv gitzi sowie die verben des typs verchalbere bekannt, ich bin aber nie auf die idee gekommen, dass sie etwas miteinander zu tun haben könnten. kommt dann der richtige hinweis – in der regel stösst man bei der lektüre eines etymologischen wörterbuchs darauf -, fällt es einem plötzlich wie schuppen von den augen und man versteht auf einen schlag, wie alles zusammenhängt.