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mit schneller, gross genuger festplatte

gross genuger?

für die meisten muttersprachler tönt diese formulierung wohl ziemlich schief. eine suche im www zeigt jedoch, dass sie gar nicht so selten ist: für gross genuger findet google 78 treffer, für gut genuger (schauspieler/tänzer/coach/…) 170 stück, und für genuger alleine sogar >3,800. nun eignet sich das www bekanntlich nur bedingt als corpus, aber die zahlen sind doch so hoch, dass es sich um mehr als nur einige zufallstreffer handeln muss.

stein des anstosses für unser sprachgefühl ist, dass -er eine adjektivendung ist, die eigentlich nicht an adverbien wie genug angehängt werden kann. sie bezeichnet im konkreten fall den dativ singular eines femininen, bestimmten adjektivs. es heisst langer, gelber, krummer, aber nicht †gerner, †balder, †allerdingser oder eben †genuger. die konstruktion entbehrt aber nicht einer gewissen grammatischen logik: hier wurde anstelle von gross die durch ein adverb modifizierte variante gross genug eingesetzt, folglich muss es im dativ nicht gross-er sondern [gross genug]-er heissen.

das beispiel zeigt, dass flexion keineswegs auf einzelne wörter beschränkt ist. offenbar können die sprecher auch eine ganze phrase, wenn sie syntaktisch die funktion eines adjektivs hat, wie ein adjektiv flektieren.

dieses zunächst vielleicht überraschend wirkende phänomen entpuppt sich im sprachvergleich allerdings nicht als etwas aussergewöhnliches – es gibt diverse parallelfälle, von denen ein besonders bekannter der englische genitiv ist. im englischen heisst es:

John’s sandwich
my mother’s sandwich
the king and queen of Sweden’s sandwich

aus den beispielen geht ganz klar hervor, dass sich der ‘s-genitiv jeweils auf die gesamte nominalphrase und nicht bloss auf ein einzelnes substantiv bezieht:

[John]’s sandwich
[my mother]’s sandwich
[the king and queen of Sweden]’s sandwich

aus diesem grund haben manche forscher gemeint, es handle sich dabei gar nicht mehr um einen kasus (genitiv) sondern um eine allgemeinere form von possessivmarkierung. doch wieso sollte sich eine kasusmarkierung bloss auf ein einzelnes substantiv beziehen können? die neubewertung des englischen genitivs als possessivmarker erscheint mir unnötig.

man kann sich denken, dass diese formulierungen im englischen zunächst einen ähnlich zweifelhaften status hatten wie heute gross genuger im deutschen. heute sind sie allerdings allgemein akzeptiert und werden in jeder englischen grammatik beschrieben.

im deutschen sind gross genuger und gut genuger derzeit sicher selten und würden von vielen muttersprachlern (und vielen lehrpersonen ;] ) vermutlich als “falsch” abgelehnt. aber die konstruktion füllt eine echte lücke (wie würde man es sonst sagen? mit gross genug seiender festplatte?) und es spricht im prinzip nichts dagegen, dass sie sich dereinst im deutschen ausbreiten und zu einer geläufigen und allgemein akzeptierten ausdrucksweise werden könnte.

update 23. mai 2011
ich wurde freundlicherweise darauf hingewiesen, dass es bei henzen (deutsche wortbildung, 3. auflage, tübingen 1965) §167.5 weitere (z.t. dialetktale) beispiele für adverbien gibt, die zu adjektiven umfunktioniert wurden: ein teilweiser erfolg, schrittweises vorgehen, mit kaumer not. mein persönlicher liebling ist ein ab-er knopf (= ein knopf, der ab ist).

4 Comments

  1. Hm, zur Suche nach den Alternativen: Ich denke “genügend großer” oder “ausreichend großer” müsste gehen. Aber ich finde “groß genuger” wunderbar, genauso wie die “zue Tür” (auch in der Variante “zuene Tür”) :)

    • luzi

      1. May 2011 at 15:11

      ja, das hast du recht, es gibt noch bessere alternativen als die von mir vorgeschlagene. man könnte gross genuger eventuell auch als eine simple verdrehung von genug grosser betrachten.

      das beispiel mit der zuen tür gefällt mir auch sehr gut :) vermutlich eine unmittelbare analogiebildung zur offenen tür…?

  2. luzi

    15. Jun 2011 at 14:40

    auf einer packung tiefkühlgemüse habe ich vor kurzem die anweisung gelesen, den beutelinhalt “bei öfterem Wenden” zu erhitzen :)

  3. Mittlerweile habe ich auch noch weg in der Verwendung gehört, die weggen Teilnehmer (allerdings eher wecken gesprochen, isjaauch logisch, das Wort hat ja kein unauslautverhärtetes Pendant).
    aufe Schnürsenkel sind dagegen schon fast langweilig.

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