Auf einer Konferenzreise Ende November 2018 bin ich in der Innenstadt von Göteborg an einer interessanten Skulptur vorbeigekommen. Die Skulptur zeigt zwei Männer beim Zweikampf mit Messern. Auf dem Sockel wird in vier Reliefbildern die Geschichte, aus der die Kampfszene stammt, erzählt. Am oberen Ende des Sockels ist in einem horizontalen Band eine Runeninschrift angebracht, die rings um den Sockel herum führt. Ausserdem enthalten die Reliefs auf dem Sockel Schlangenbänder mit weiteren Runeninschriften.

Baltesspannarna
Bild: Per Johansson auf sv.wikipedia [GFDL oder CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Die Skultpur heisst auf Schwedisch Bältespännarna (wörtlich “Die Gürtelspanner”, auf Deutsch auch “Die Messerkämpfer” genannt) und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Johan Peter Molin, einem schwedischen Bildhauer, angefertigt. Sie enstand also in der Zeit der Nationalromantik. Es gibt mehrere Versionen der Skulptur; Exemplare stehen heute in Göteborg (im nach der Skulptur benannten Bältespännarparken), Stockholm (vor dem Nationalmuseum), Vänersborg und Hällefors, wobei nicht alle Exemplare die horizontale Runeninschrift auf dem Sockel enthalten.

Angeblich bildet die Skulptur den mythischen Kampf des “Gürtelspannens” ab, eine Form des Zweikampfs, bei dem zwei Männer mit einem Gurt zusammengebunden werden, so dass keiner fliehen kann, und sich dann mit Messern bis auf den Tod bekämpfen. Die Quelle für diesen Mythos ist einigermassen unklar (in der schwedischen Wikipedia gibt es einen Artikel zum “Gürtelspannen“, wo allerdings gesagt wird, es gebe keine glaubwürdigen historischen Quellen dazu).

Die Geschichte des Kampfes, wie sie auf den Reliefbildern dargestellt wird, scheint ziemlich einfach. Das chronologisch erste Bild muss das schmale auf der rechten Seite des Sockels sein, bei dem wir zwei Männer mit nacktem Oberkörper an einem Tisch sitzen sehen. Hinter dem Tisch steht eine Frau, die den Männern ein Getränk (vermutlich Met oder Bier) in die Trinkhörner einschenkt. Da die Frau den Arm um den rechts abgebildeten Mann legt, handelt es sich wohl um dessen Frau oder Verlobte. Auf dem zweiten Bild (das breite auf der hinteren Seite des Sockels) sehen wir, wie der Mann links – anscheinend in betrunkenem Zustand – die Frau belästigt. Der Mann rechts springt erzürnt auf und zieht sein Messer. Im dritten Bild (schmale, linke Seite des Sockels) sehen wir, wie die beiden Männer, nachdem sie sich offenbar ihrer Hosen entledigt haben, mit den Messern in den Händen zum Kampf bereit machen. Die Frau versucht (vergeblich) ihren Mann oder Verlobten, den man an den etwas längeren Haaren erkennt, vom Kampf abzuhalten. Als nächstes muss man sich die Kampfszene vorstellen, wie sie die Skulptur zeigt: Die beiden Männer bekämpfen sich nackt, nur mit einem Gurt an der Hüfte zusammengebunden, mit Messern. Rückschlüsse auf den Ausgang des Kampfes erlaubt das vierte Relief, vorne auf dem Sockel abgebildet: Die Frau kniet trauernd vor einem Grab- oder Gedenkstein. Ihr Mann / Verlobter ist also offenbar beim Zweikampf umgekommen. Ob der zweite Mann überlebt hat, oder ob beide gestorben sind, bleibt offen.

Die mit grossen Runenzeichen in einem Band am oberen Ende des Sockels angebrachte Inschrift liest sich wie folgt:

A: ainstoþ᛫im᛫ik᛫urþin᛫sim᛫
B: asb᛫i᛫hulti᛫
C: falin᛫at᛫friantum᛫sim᛫
D: fura᛫at᛫kuisti᛫

Es handelt sich dabei um zwei Zeilen aus der Lieder-Edda, und zwar stammen sie aus den Hamðismál, Strophe 5, Zeilen 1-2. Da die Edda nicht in Runen geschrieben ist, muss Molin den Text selber in die Runeninschrift umgesetzt haben, wobei er gemäss Gustavsson/Westin (Zeitungsartikel von 2014) verschiedene Gelehrte um Rat gefragt haben soll. Das Resultat ist trotzdem nicht immer ganz geglückt (siehe unten). In der Ausgabe von Neckel/Kuhn lauten die zwei Zeilen:

Einstœð em ec orðin sem ǫsp í holti,
fallin at frœndom sem fura at qvisti,
[…]

Und das bedeutet in der Übersetzung von Arnulf Krause:

Einsam bin ich geworden wie eine Espe im Wald,
beraubt der Verwandten wie eine Föhre der Zweige,
[…]

Die Sprecherin an dieser Stelle des Liedes ist Gudrun, die den Tod ihrer Tochter Schwanhild beklagt und ihre beiden Söhne zur Rache an Jörmunrek anstachelt. Die klagenden Worte Gudruns nach dem Tod ihrer Tochter werden hier also auf die Frau des Zweikämpfers bezogen.

Die weiteren Runeninschriften auf den Reliefbildern enthalten ebenfalls Passagen aus den Hamðismál sowie den Hávamál. Im Schlangenband auf dem ersten Relief (schmal, links) steht:

R1: haimska᛫ur᛫hurskum᛫karuir᛫haita᛫su᛫u᛫sa᛫in᛫matki᛫munR᛫

Diese Zeilen sind aus Hávamál 94, Zeilen 3-4. In der Edda lauten die Zeilen wie folgt:

heimsca ór horscom gorir hǫlða sono
sá inn mátki munr.

Man sieht, dass hier nicht alles ganz richtig in die Runeninschrift umgesetzt wurde. Zunächst steht bei haita eine i– irrtümlich für ein l-Rune. Zudem steht bei su᛫u ein Worttrenner, wo ein n-Rune stehen müsste (als Worttrenner wird ein kleines, zeilenmittiges Kreuz verwendet, das der n-Rune ähnlich sieht).

Der Text bedeutet in der Übersetzung von Krause

von Klugen zu Törichten macht der Menschen Söhne
die mächtige Leidenschaft.

Im Schlangenband auf der Rückseite steht:

R2: ira᛫sua᛫kut᛫sim᛫kut᛫kuiþa᛫al᛫alta᛫suna᛫
þui᛫at᛫fara᛫uait᛫ir᛫flaira᛫trikr᛫sins᛫tit᛫kiþs᛫ku?i᛫

Es handelt sich um Hávamál 12, Zeilen 1-4, die in der Ausgabe von Neckel/Kuhn folgendermassen lauten:

Era svá gott, sem gott qveða,
ǫl alda sona;
þvíat færa veit, er fleira dreccr,
síns til geðs gumi.

Auch hier finden sich einige Probleme bei der Umsetzung in die Runenschrift. In der Runensequenz tit steht das zweite t irrtümlich für ein l. Die zweitletzte Rune der Inschrift muss eine m-Rune sei, bei der allerdings der rechte Zweig fehlt.

Übersetzt:

Nicht so gut ist, wie man’s sagt,
das Bier den Söhnen der Menschen;
denn weniger weiß, der mehr trinkt,
in seinem Verstand der Mann.

Das Schlangenband auf der schmalen, linken Seite des Sockels beinhaltet folgende Runensequenz:

R3: troku᛫þair᛫ur᛫skiþi᛫siki᛫iarn᛫mnkis᛫akiar᛫kl᛫mun᛫flakþi᛫

Es handelt sich um Hamðismál, Strophe 15, Zeilen 1-2. Nach der Ausgabe von Neckel/Kuhn lautet die Stelle wie folgt:

Drógo þeir ór scíði scíðiiárn,
mækis eggiar, at mun flagði;

Wiederum gibt es Probleme mit der Umsetzung in die Runeninschrift. Die Sequenz siki muss (wie das vorhergende Wort) als skiþi gelesen werden. in mnkis steht die n-Rune irrtümlich für die a-Rune. Statt kl sollte at stehen.

In der Übersetzung von Krause lauten die Zeilen:

Sie zogen aus den Scheiden die Scheideneisen,
Schwertes Schneiden, der Riesin zur Freude;

Das Wort Scheideneisen ist eine poetische Umschreibung für ‘Schwert’. Mit Riesin ist gemäss Anmerkung von Krause wohl Hel gemeint, die Herrin der Totenwelt.

Auf der vierten Reliefseite (Vorderseite) sind zwar schlangenartige Ornamente, aber so weit ich sehe keine Runenzeichen enthalten.

Die Reihenfolge der Reliefbilder stimmt übrigens nicht mit der Anordnung der Runeninschrift auf dem Sockelband überein. Die Runeninschrift beginnt auf der Frontseite, auf der das letzte Reliefbild (trauernde Frau mit Stein) zu sehen ist, und führt von dort rechtsläufig um den Sockel.

Das verwendete Runen-Futhark entspricht dem Typ des jüngeren Futharks.

Zu den Inschriften finde ich in der Sammlung Sveriges Runinskrifter (SRI, Band 5: Västergötlands runinskrifter) keine Einträge, vermutlich weil sie als Bestandteil von Molins Skulptur offensichtlich neuzeitlich sind. Hingegen findet sich im SRI-Band 14.1 zu Närke eine Beschreibung einer 1956 entdeckten Runeninschrift auf einer Kalksteinplatte in Örebro, die mit der Inschrift auf dem Sockelband der Bältespännarna-Skulptur übereinstimmt. Die Runensequenz ist genau mit dieser identisch und benutzt auch den gleichen Worttrenner, mit dem einzigen Unterschied, dass die Örebro-Inschrift als zweitletztes Wort it statt (korrektes) at hat. Mit SRI (Band 14.1, S. 58) ist diese Inschrift aus Örebro ziemlich sicher als eine junge Abschrift bzw. Nachahmung der Bältespännarna-Inschrift, die auf Molins Skulptur bereits seit 1862 öffentlich zu sehen war, zu beurteilen.

Literatur

Düwel, Klaus (2008): Runenkunde. 4. Auflage. Stuttgart: Metzler.

Gustavsson, Bo & Jan Westin: Hundraåriga gåtan löst, Göteborgs-Posten, (2014-08-10), Teil 3, Seite 58. (schwedischer Zeitungsartikel)

Krause, Arnulf (2001): Die Heldenlieder der Älteren Edda. Übersetzt, kommentiert und herausgegeben von Arnulf Krause. Stuttgart: Reclam.

Neckel, Gustav & Hans Kuhn (1983): Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. 2. Bände. 5. Auflage. Heidelberg: Winter.

SRI = Sveriges Runinskrifter. Band 5: Västergötlands runinskrifter (1940-70). Band 14.1: Närkes runinskrifter (1975). Stockholm: Almqvist & Wiksell.

Weblinks

http://www.goteborgkonst.com/?post_type=konstverk&p=861 – Eintrag zur Skulptur mit Bildern und Informationen bei Göteborg Konst

http://www.christerhamp.se/runor/nya/vg/vg-baltes.html – Gute Bilder der Sockelreliefe, die Transliteration des Autors ist aber fehlerhaft.